Petruschkis Fahrt ins Blaue - Kapitel 16 - Plautilla Nelli - Betet für die Malerin
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Im Dezember 2019 gingen wir auf eine Reise mit Bus und Bahn durch Spanien, Frankreich, Deutschland, Belgien, Großbritannien und Irland. Das Ziel war die Ausstellung Protest! von Derek Jarman in Dublin, auf dem Weg dorthin gab es soviel anzuschauen. Wir haben 21 Ausstellungen besucht und viele Geschichten entdeckt. Mehr darüber im 1.Kapitel Ins Blaue geträumt. Ich bin vom vom Weg abgekommen. Bei der Beschäftigung mit El Greco (hier geht es zum ersten Kapitel über El Greco Knisternde Farben und die Feier des Vertikalen, hier zum zweiten Das Grün zwischen Himmel und Erde und hier zum dritten Der langen Glieder Tanz in Licht und Schatten ) habe ich die Renaissancemalerin Plautilla Nelli entdeckt. Von der es keine Ausstellung auf unserer Reise gab, die ich aber hier unbedingt vorstellen möchte. Und wer sich für Malerinnen des Barock und der Renaissance interessiert, hier gibt es auch ein Kapitel über Artemisa Gentileschi Der Körper der Kriegerinnen
Was für eine zärtliche, tröstende Geste. Komm, du darfst an meinem Busen ruhen. Zart und leicht liegt Johannes’ Kopf auf Jesus’ Brust, trotz aller schweren Trauer in der Stunde des Abschieds. Zart und leicht, vogelgleich, hält Jesus seinen Lieblingsjünger und kost ihm das Ohr. Nichts ist schwer.
Das ist ein Detail aus dem Gemälde “Das Abendmahl” von Plautilla Nelli, einer malenden Nonne oder besser gesagt, einer Malerin, die Nonne war. Sie sah sich selbst als Malerin, wie uns heute ihre Signatur auf dem Abendmahl zeigt. Sie wurde 1524 bei Florenz geboren und gilt als die erste Renaissancemalerin.
Plautilla - orate pro pictora steht dort links oben in der Bildecke. Plautilla - betet für die Malerin. Es war vollkommen aussergewöhnlich, dass eine Frau ein Bild signierte.
Soviel Bewegung ist in diesem Gemälde, das Plautilla Nelli 1560 geschaffen hat. Und wieviel Gefühlsbewegtheit ist von den Gesichtern und aus den Haltungen zu erkennen. 7 Meter lang und zwei Meter hoch ist das Bild. Die Farben strahlen tief und warm.
“Plautilla Nelli hatte einen kräftigen Pinselstrich mit viel Farbe. Sie wusste, was sie darstellen wollte und sie wusste auch, wie sie das erreichen konnte, “ sagt die Restauratorin Rosella Lari.
Vor dem Tisch sitzt Judas. Er teilt mit Jesus das Brot. In der anderen Hand hält er das Geldsäckchen. Darauf sind drei Blumen gestickt. Warum so etwas feminines.. in dieser Männerrrunde…man weiß es nicht.
Bis 1817 befand sich das Abendmahl in dem Kloster, in dem Plautilla Nelli gelebt und gemalt hatte. Danach wurde es in das Kloster Santa Maria Novella gebracht. Hier blieb das Gemälde wohl an die 400 Jahre zusammengerollt in irgendwelchen Laggerräumen bis 1966 die große Flut über Florenz kam und das Bild wie viele andere Kunstwerke großen Schaden nahm.
Abgesehen von diesen leuchtenden Farben habe ich mich in viele Details verliebt. In die Falten der Tischdecke. Die übrigens ganz ähnlich ist wie die auf Da Vincis Abendmahl. Sicher konnte Sor Plantilla nicht nach Mailand reisen, um es anzuschauen, aber man nimmt an, dass sie Skizzen da Vincis zum Abendmahl ansehen konnte. Und sicher weiß man, dass Plautila Nelli ihre malerischen Fähigkeiten sich selbst beigebracht hatte, indem sie Gemälde anderer Maler kopierte.
Hier gibt es ein Geheimnis: das Gesicht des Jüngers, des zweiten von rechts… (Sitzen die Jünger in der gleichen Anordnung wie bei da Vinci -wäre das Thaddäus). Es ist mit einem anderen Strich gemalt und die Behandlung des Lichts, das das Gesicht modelliert, ist noch kunstvoller. Man kann sehen, dass jemand anderes dieses Gesicht gemalt hat. Aber wer es war, weiß man nicht…
Das Brot, der Wein, die Schüsseln, Blätter und Salztöpfchen. Vor allem aber begeistern und beglücken mich die Hände und all die nackten Füsse der Jünger.
Seit Oktober 2019 kann man das Abendmahl der Plautilla Nelli wieder im Museum des Klosters Santa Maria Novella in Florenz betrachten: nach vier Jahren der Restauration, die durch Advancing Woman Artists möglich geworden war.
Hier ein Video über die Restaurierung des Letzten Abendmahls.
Hier nochmal der untere Teil des Gemäldes in besserer Auflösung. Die Farben sind so wunderschön.
Jane Fortune war eine amerikanische Philantropin und Kunstmäzenin, die in Florenz lebte. Sie forschte über in Vergessenheit geratene Künstlerinnen und entdeckte dieses Gemälde von Plautilla Nelli in einem sehr schlechten Zustand: Compianto sul Cristo morto aus dem Jahr 1569. Sie sammelte Geld und 2006 konnte mit der Restaurierung begonnen werden. Darum kümmerte sich die erfahrene Restauratorin Rosella Lari, die dann auch später das letzte Abendmahl restaurierte. Dazu ein Video mit einem Interview mit ihr und einem Gespräch über Plautilla Nelli. Ich kann es nur empfehlen. Unglaublich spannend. In Italienisch mit englischen Untertiteln.
Um mit der Wiederentdeckung von Künstlerinnen und der Restaurierung ihrer Werke fortfahren zu können, gründete Jane Fortune 2009 Advancing Woman Artists AWA. Bisher haben sie mehr als 60 Werke von vergessenen Künstlerinnen aus Florenz instand setzen können. Die sehr interessante Website gibt es noch, aber nach dem Tod von Jane Fortune wurde die Organisation leider aufgelöst.
Mit 14 Jahren trat Plautilla Nelli in das Kloster Santa Caterina di Cafaggio ein, im Laufe ihres Lebens war sie dort drei mal Priorin. Das Kloster unterstand dem Dominikanerkloster San Marco, das von Savonarola geleitet wurde. Die Hälfte aller jungen Mädchen kamen damals ins Kloster, um den Familien die Kosten für ihren Lebensunterhalt zu sparen. Damit sie nicht dem Müßiggang verfielen, forderte Savonarola sie auf, religiöse Bilder zu malen. So hatte Sor Plantilla Nelli die Möglichkeit zu malen. Sie war Autodidaktin und lernte, indem sie andere Werke kopierte. Besonders inspiriert wurde sie vom Werk des Fra Bartholomeo Das Kloster wurde zu einem Zentrum für malende Nonnen. Sie selbst unterrichtete mindestens drei Nonnen ihres Klosters und weitere drei Nonnen eines anderen Klosters. Nelli hatte viele Kunden für ihre Bilder und wurde sehr wertgeschätzt. Der Kunsthistoriker Giorgio Vasari aus dem 16. Jahrhundert schrieb: "Und in den Häusern der Edelmänner in ganz Florenz gibt es so viele Bilder von ihr, dass es mühsam wäre, über alle zu sprechen."
Man kann annehmen, dass das Kloster Santa Caterina di Cafaggio durch Plautilla Nelli und die malenden Nonnen sich in eine gutgehende Malerwerkstatt verwandelte, in einen frühen feministischen Betrieb.
Foto: By Uffizi Galleries - Own work, CC BY-SA 4.0
Quellen: Wikipedia und “El milagro de la monja” Artikel in La Razon von Ismael Monzon vom 30.10. 2019
LE SIGNORE DELL'ARTE. Storie di donne tra '500 e '600 5. Februar- 25.Juli 2021 Mailand Palazzo Real. In dieser Ausstellung über Barock- und Renaissancemalerinnen gibt es auch Werke von Plautilla Nelli.
Sicher werde ich den Reiseweg noch öfter verlassen, um einige Malerinnen vorzustellen, wie im zweiten Kapitel über Artemisa Gentileschi Die Körper der Kriegerinnen. Suzanne Valodon zum Beispiel, die sich vom Modell und der Geliebtern Henri Toulouse-Lautrecs zu einer eigenständigen Malerin entwickelte. Und ein späteres Kapitel, auf das ich mich besonders freue, widmet sich der Renaissancemalerin Sofonisba Anguissola.
Im nächsten Kapitel geht es zurück zur Reise. In Paris besuchen wir im Grand Palais die Ausstellung Toulouse-Lautrec Résolument Moderne – Entschlossen modern